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Kein guter Tag für Nick - Wahlgrundsatz "frei"
von Claudia Hennerkes

Illustration des Wahlgrundsatzes "Frei". Man sieht eine Person mit einem dicken Stift, die zwischen zwei Polizisten steht. Es wird angedeutet, dass diese Person von den Polizisten nicht an der Stimmabgabe gehindert werden kann.

Tim oder Lisa? Wer wird Klassensprecher/in?

Tim will einen Bolzplatz. Lisa eine Turnstange. Tim ist für einen Kiosk. Lisa für eine Kletterwand. „Eine Tischtennisplatte wäre toll“, denkt Tim. Lisa hätte gerne eine Leseecke. Einen schönen Innenhof wünscht sich Tim. „Ein eigenes Schwimmbecken – ob das wohl zu teuer ist?“ grübelt Lisa. Tim kann sich einen Experimentierraum vorstellen und Lisa ein Aquarium.
Tim und Lisa gehen beide in die Klasse 4c und nach einigen Sitzungen mit der Klassenlehrerin Frau Liebig wollen sie sich in den nächsten Tagen als Klassensprecher bewerben. Beide wollen die Schule schöner und das Angebot besser machen. Nur haben eben beide auch sehr unterschiedliche Vorstellungen.

Kletterwand oder Bolzplatz?

Im vergangenen Sommer hatte sich die Klasse an einem landesweiten Wettbewerb beteiligt. Schüler und Schülerinnen waren aufgerufen, ein Stück Natur vor der eigenen Haustür zu untersuchen und die Ergebnisse aufzuschreiben. Die Klasse 4c punktete mit einer Fotomappe und einer selbst gedrehten Video-Präsentation und gewann am Ende eine stolze Summe Geld für die Schule.
Ob Kletterwand oder Bolzplatz, darüber wird nun seit einigen Monaten heftig diskutiert. Um schlussendlich zu einem Ergebnis zu kommen, macht die Lehrerin den Vorschlag, einen Klassensprecher zu wählen, der sich um ein demokratisches Ergebnis in der Schule kümmern soll. Lisa und Tim sind gleich Feuer und Flamme. In ihren Köpfen malen sie sich die perfekte Schule aus.

Obermotzer Nick

Nur eine Sache nervt: Obermotzer Nick. Der macht nämlich in den Pausen mächtig Krawall. Er findet die Wahl „schwachsinnig“. Er fordert einfach längere Pausen, weniger Mathe und weniger Klassenarbeiten. Und dazu, meint er, brauche man keine Wahlen. An dem Tag, als die Wahl zum Klassensprecher stattfinden sollen, stellt sich Nick in der großen Pause vor den Klassenraum und droht: „Jeder, der zur Wahl geht, der bekommt es mit mir zu tun…“

Frau Liebig hat eine gute Idee

Dummerweise kommt Frau Liebig in diesem Moment um die Ecke und verdreht die Augen: „Ja, klar, das wollen wir mal sehen. Nur, weil dir die Kandidaten nicht passen, hast du nicht das Recht zu drohen. Auch eine Klassensprecherin wird bei uns frei gewählt, ob dir das passt oder nicht.“ Im Klassenraum erklärt Frau Liebig: „Jeder hat das Recht zu wählen. Es hat aber auch jeder das Recht nicht zu wählen. Wie ihr euch festlegt, ist ganz alleine eure Sache. Ihr könnt das völlig frei entscheiden. Für niemanden entstehen durch die Wahl Vor- oder Nachteile. “ Und mit einem Trick umgeht sie die Drohungen von Nick: Alle Schüler und Schülerinnen gehen alleine nacheinander in den Klassenraum. Dort können sie ihr Kreuzchen für einen Kandidaten machen – oder auch gar nicht wählen. So kann niemand nachvollziehen, wie sich jeder einzelne bei der Wahl verhalten hat. Denn auch die Nichtwähler sollen nicht erkennbar sein. Sehr zum Ärger von Nick, der sich stinksauer auf den Pausenhof verzieht. Kein guter Tag für ihn.
Und auch wenn Tim die Wahl letztendlich gewonnen hat: Seit kurzem gucken die Schüler von ihrem Klassenzimmer aus auf den neuen Fußballplatz. Und wenn man ein bisschen weiter blickt, dann sieht man auch die nagelneue Kletterwand…