Steven Wouterlood, nach dem Kinderbuch von Anna Woltz
Land und Erscheinungsjahr:
Niederlande, Deutschland 2019
Altersfreigabe der FSK:
ab 0 Jahren
Altersempfehlung:
sehenswert ab 8 Jahren
Länge:
82 Minuten
Kinostart:
3. September 2020
Wie mag es wohl den letzten Dinosauriern ergangen sein, als sie vor vielen Millionen Jahren ausstarben? Wussten sie, dass sie die letzten ihrer Art waren? Mit solchen existenziellen Fragen beschäftigt sich der zehnjährige schüchterne Sam sogar im Urlaub und er überlegt, was das für sein eigenes Leben heißt. Die Begegnung mit der gleichaltrigen Tess, die auf der Insel lebt und im Unterschied zu ihm sehr selbstbewusst wirkt, weckt Sams Neugier. Sie stellt ihn aber auch vor völlig neue Herausforderungen. Eigentlich wollte er täglich das Allein-Sein trainieren, um gewappnet zu sein, wenn seine Familie später einmal nicht mehr für ihn da ist. Tess allerdings hat ganz andere Pläne mit ihm und hofft, er werde sie bei ihrem heiklen Vorhaben unterstützen.
Die Mutter hat ihren Vater für tot erklärt und ihr eingeredet, Tess komme genauso gut auch ohne einen Vater zurecht. In detektivischer Feinarbeit hat sie herausgefunden, dass dieser in Berlin lebt. Er weiß aber nichts von seiner Tochter. Um ihn endlich kennenzulernen, erfindet sie ein Preisausschreiben, bei dem der Vater angeblich den Hauptpreis gewonnen hat: eine Woche kostenlosen Aufenthalt im Ferienhaus der Mutter. Es dauert, bis Sam hinter das Geheimnis von Tess kommt. Diese bringt allerdings nicht den Mut auf, sich ihrem Vater Hugo erkennen zu geben. Zudem erwähnt Hugo einmal beiläufig, er sei froh, keine Kinder zu haben. Und auch Sam muss durch die Begegnung mit einem alten Strandgut-Sammler erst noch lernen, worauf es im Leben ankommt und welche Bedeutung insbesondere den Erinnerungen dabei zuwächst.
Weite, fast menschenleere Sandstrände, flache Dünen und ein Meer mit sanfter Dünung unter blauem Himmel laden förmlich dazu ein, Urlaubsstimmung zu erzeugen. Sam nutzt die Schönheit der Natur allerdings eher, um sich in die Einsamkeit zurückzuziehen. Und Tess hat ihren Kopf ebenfalls ganz woanders. Gleichwohl gibt es Momente, in denen die Kinder glücklich und zufrieden im Meer baden. Alles hat seine zwei Seiten, wie der Film auf allen Bild- und Handlungsebenen zeigt. Das beginnt mit gemischten Gefühlen, selbst der eigenen Familie und dem von Tess ersehnten Vater gegenüber, und trifft auch auf die Natur und das Meer zu. Bei einer Wattwanderung merkt Sam zu spät, dass er aus eigener Kraft vor der herannahenden Flut keine Chance hat, das rettende Ufer noch zu erreichen.
Spannung und überraschende Momente wie diese gibt es viele im Film, wobei sich nie das Gefühl einstellt, dies wäre bloß konstruiert oder maßlos übertrieben. Der Film macht schon gleich zu Beginn und in vielen weiteren Einstellungen immer wieder deutlich, wie relativ die eigene Wahrnehmung ist. Sam liegt in einem selbst gegrabenen Loch im Sand und beobachtet einen Flugdrachen in der Luft. Er umrahmt ihn mit zwei seiner Finger, so als könne er ihn direkt anfassen. In Wirklichkeit jedoch schwebt er weit weg von Sam hoch in der Luft. Das zeigt ein Gegenschuss der Kamera aus der Vogelperspektive auf Sam hinunter, der im Sandloch ganz klein wirkt. So kann man die beiden Hauptfiguren und ihren ungewöhnlichen Umgang mit auftauchenden Problemen besser verstehen.
Sommerkomödien mit (oder ohne) „Mini-Touristen“, wie Sam liebevoll-abwertend von der Mutter von Tess bezeichnet wird, sind meistens leicht und beschwingt. Sie wecken freudige oder auch wehmütige Urlaubsgefühle. Manchmal plätschern sie vor sich hin wie ein Badeurlaub am Wasser. Nicht so dieser spannende und zugleich unterhaltsame Film mit zwei überragenden Hauptdarstellern. Es sind heldenhafte junge Außenseiter, die vor existenziellen persönlichen Herausforderungen stehen und diese mit Bravour und auch ein bisschen Glück meistern. Beiläufig und dennoch sehr konsequent werden gängige Rollenmuster von Jungen und Mädchen hinterfragt, sowie das manchmal etwas komplizierte Verhältnis zwischen Eltern und ihren Kindern, zwischen Geschwistern und natürlich auch zwischen den Generationen.